Progressive Delivery — alles, was du wissen musst

Progressive Delivery ist eine moderne Praxis in der Softwareentwicklung, bei der neue Features zunächst nur einem kleinen Prozentsatz der Nutzer:innen freigegeben werden. Dadurch lassen sich die Auswirkungen eines Updates besser verstehen und analysieren, bevor das Feature für die gesamte Benutzerbasis bereitgestellt wird.
Diese Methode baut auf Continuous Integration, Continuous Delivery und Continuous Deployment (CI/CD) auf und wird oft durch Feature Flags unterstützt. Damit lassen sich Funktionen gezielt für bestimmte Benutzergruppen aktivieren oder deaktivieren.
Obwohl Progressive Delivery häufig mit Feature Flags, gezielter Service Delivery und A/B-Testing verbunden wird, umfasst der Ansatz ein breiteres Spektrum an Methoden zur kontinuierlichen Verbesserung und Experimentation. Dazu zählen unter anderem:
- Canary Deployments
- Blue-Green Deployments
- Beobachtbarkeit (Observability)
- DevOps-Praktiken
- Progressive Experimentation
Progressive Delivery und die Evolution der Softwareentwicklung
Um Progressive Delivery zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Entwicklung der Software-Liefermethoden:
- Wasserfallmodell:
Lange Phasen des Entwickelns und Testens, gefolgt von einer großen Bereitstellung. An einer einzigen Veröffentlichung wird oft mehrere Monate gearbeitet. Das führt häufig zu hohen Kosten und dem Risiko gescheiterter Releases. - Agiles Modell:
Ein iterativer Ansatz mit einem kontinuierlichen Zyklus aus Entwicklung, Test, Bereitstellung und Release. Änderungen gelangen schneller zu den Nutzer:innen, Fehler können früh erkannt werden. - Continuous Integration & Continuous Delivery (CI/CD):
Teams entwickeln, testen und sammeln mehrfach Feedback, bevor ein Feature endgültig ausgerollt wird. So lassen sich Risiken reduzieren, wenn ein Produkt noch nicht optimal funktioniert. - Progressive Delivery:
Teams entwickeln, testen, stellen bereit und veröffentlichen zunächst für eine kleine Nutzergruppe, um reale Nutzung und Feedback zu analysieren. Erst danach wird das Feature schrittweise für die gesamte Benutzerbasis ausgerollt.
Progressive Delivery baut auf dem CI/CD-Framework auf und erweitert es, um Risiken bei kontinuierlichen Releases zu minimieren. Neue Features können sicher getestet, optimiert und kontrolliert skaliert werden — bevor sie alle Nutzer:innen erreichen.

Die Vorteile von Progressive Delivery
Produktmanager:innen können Progressive Delivery einsetzen, um potenzielle Risiken und negative Auswirkungen von Releases zu minimieren. Im Folgenden sind vier der wichtigsten Vorteile dieser Methode aufgeführt:
Schnellere Feedbackschleifen
Die Fähigkeit, Benutzerfeedback zu erfassen und richtig zu nutzen, ist ein zentrales Merkmal innovativer Produktteams. Progressive Delivery verkürzt Feedbackschleifen, weil sich neue Features schneller und kontrollierter testen lassen.
Produktmanager:innen können ein Feature zunächst im Beta-Test nur einer ausgewählten Nutzergruppe zugänglich machen, Feedback sammeln und es mehrmals iterativ verbessern, bevor der Rollout an die gesamte Benutzerbasis erfolgt.Das stärkt nicht nur die Qualität des Produkts, sondern kann auch die Nutzerbindung deutlich erhöhen.
Reduzierung des Veröffentlichungsrisikos
Früher war die Einführung neuer Features oft mit hohem Risiko verbunden: Ein fehlerhaftes Update konnte in Produktion gehen oder eine Funktion veröffentlicht werden, die von Nutzer:innen kaum angenommen wurde.
Mit Progressive Delivery können Produktmanager:innen neue Features zunächst nur einer kleinen Nutzergruppe bereitstellen. So lässt sich früh überprüfen, ob alles wie geplant funktioniert, und mögliche Fehler werden erkannt, bevor das Feature an die gesamte Benutzerbasis ausgerollt wird.
Das senkt das Risiko von Releases erheblich und reduziert gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit kostspieliger Rollbacks.
Erhöhte Agilität und Effizienz
Wenn ein neues Feature sofort an alle Nutzer:innen ausgerollt und erst anschließend Feedback gesammelt wird, bleibt oft wenig Raum für schnelle Anpassungen. Progressive Delivery löst dieses Problem: Produktteams können Features zunächst an eine ausgewählte Nutzergruppe ausspielen, testen, verbessern und anschließend einer weiteren Gruppe oder der gesamten Benutzerbasis bereitstellen, um Hypothesen und Annahmen zu validieren.
Mit Feature Flags lässt sich neuer Code zudem bereits in einer Testumgebung bereitstellen, bevor er für den vollständigen Rollout freigegeben wird. Das schafft einen effizienteren Entwicklungsprozess, verkürzt Feedbackschleifen und minimiert Risiken.
Mehr Kontrolle über Veröffentlichungen
CI/CD zielt darauf ab, Ausfallzeiten zu minimieren und Software regelmäßig bereitzustellen. Allerdings bietet dieser Ansatz nur begrenzte Kontrolle darüber, wer neue Funktionen sieht und wann sie für die gesamte Nutzerbasis freigegeben werden.
Mit Progressive Delivery erhalten Produktteams deutlich mehr Steuerungsmöglichkeiten für ihre Releases. Sie können gezielt festlegen, welche Nutzergruppen ein Feature wann sehen, und dadurch die Einführung neuer Funktionen flexibler, sicherer und datengetrieben gestalten.
Wie funktioniert Progressive Delivery?
Progressive Delivery wird durch Feature Flags ermöglicht — eine Art if/else-Logik, mit der sich Funktionen flexibel aktivieren oder deaktivieren lassen. Feature Flags trennen die Bereitstellung vom eigentlichen Release und geben Produktmanager:innen die Möglichkeit, neue Features nach Bedarf freizuschalten, ohne den Entwicklungsprozess zu stören.
Beispiel:
Ein Produktmanager möchte eine neue Funktion zunächst mit drei ausgewählten Nutzergruppen testen, bevor sie allen zur Verfügung steht. Ein:e Entwickler:in erstellt dafür eine Feature Flag. Möchte das Produktteam die Funktion für eine bestimmte Gruppe freigeben, wird die Flag einfach aktiviert. Für andere Gruppen bleibt das Feature unverändert. Muss ein Feature kurzfristig deaktiviert werden, kann die Flag jederzeit ausgeschaltet werden — ohne Einfluss auf die restliche User Experience.
Feature Flags lassen sich mithilfe moderner Full-Stack Feature-Management-Lösungen leicht von jedem Mitglied des Produktteams verwalten.
Typische Anwendungsfälle für Progressive Delivery:
- Canary-Tests
- Blue-Green-Deployment
- Feature Experimentation
Diese Use Cases sehen wir uns im Folgenden genauer an.
Progressive Delivery vs. CI/CD — was ist der Unterschied?
Progressive Delivery ist eine Weiterentwicklung des CI/CD-Frameworks und ermöglicht eine noch flexiblere, risikoärmere Softwarebereitstellung. Um das einzuordnen, lohnt sich ein Blick auf die klassischen CI/CD-Praktiken:
- Kontinuierliche Integration (Continuous Integration):
Entwickler:innen integrieren regelmäßig neuen Code in den bestehenden Live-Code. Automatisierte Tests überprüfen Änderungen, und neue Builds werden automatisch erstellt. - Kontinuierliche Bereitstellung (Continuous Delivery):
Die erstellten Builds gelangen aus der Continuous Integration in eine Testumgebung oder einen Klon der Produktionsumgebung. Dort werden manuelle Tests durchgeführt. Der Code wird nur bereitgestellt, wenn die Tester:innen ihn freigeben. Die Release-Geschwindigkeit hängt von der Testkapazität ab. - Kontinuierliche Auslieferung (Continuous Deployment):
Sobald der Code die definierten Qualitätsstandards erfüllt, wird er automatisch in die Produktionsumgebung ausgeliefert — ohne manuelle Eingriffe von Entwickler:innen oder Tester:innen. - Progressive Delivery:
Baut auf Continuous Delivery auf, geht aber einen entscheidenden Schritt weiter: Mithilfe von Feature Flags wird die Bereitstellung vom eigentlichen Release entkoppelt. Der Code wird zwar automatisch in Produktion gebracht, aber neue Features werden schrittweise aktiviert — zunächst für kleine Nutzergruppen, später für die gesamte Benutzerbasis.

Wie Progressive Delivery die Probleme von CI/CD behebt
Auch wenn CI/CD (Continuous Integration & Continuous Delivery) die Softwareentwicklung deutlich beschleunigt, bringt der Ansatz für agile Produktteams einige Herausforderungen mit sich. Progressive Delivery setzt genau hier an und macht die kontinuierliche Bereitstellung sicherer und flexibler.
1. Funktionen und Code-Bereitstellung sind zu stark gekoppelt
In einem „Continuous Everything“-Ansatz müssen Entwickler:innen Funktionscode sofort integrieren, bereitstellen und deployen. Es gibt keine Möglichkeit, Features in einem inaktiven Zustand vorzuhalten. Dadurch wird die Freiheit bei der Feature-Entwicklung eingeschränkt.
Lösung durch Progressive Delivery: Mit Feature Flags lässt sich genau steuern, wann Features aktiviert werden. So können Funktionen an bestimmte Nutzergruppen ausgeliefert und getestet werden, ohne sie sofort allen bereitzustellen.
2. Höheres Risiko durch fehlerhafte Releases
Bei kontinuierlicher Bereitstellung decken oft erst Nutzer:innen selbst Fehler auf, die automatisierte Tests nicht erkannt haben. Schwere Bugs können das Markenimage massiv schädigen.
Lösung durch Progressive Delivery: Teams kontrollieren gezielt, wer Zugriff auf neue Funktionen erhält. Features werden zunächst nur einem kleinen Teil der Nutzer:innen ausgerollt. Dadurch sinkt das Gesamtrisiko erheblich, und Probleme lassen sich frühzeitig beheben.
3. Alles oder nichts bei Deployments
Im klassischen CI/CD-Flow können Entwickler:innen den Code nicht funktionweise trennen. Führt eine fehlerhafte Funktion zu Problemen, ist oft ein komplettes Rollback nötig — selbst wenn andere Features stabil laufen.
Lösung durch Progressive Delivery: Dank Feature Flags hat jedes Feature seinen eigenen Schalter. Eine fehlerhafte Funktion lässt sich gezielt deaktivieren, ohne den gesamten Release zurückzuziehen. Das spart Zeit, Kosten und reduziert Risiken.
Progressive Delivery baut auf CI/CD auf und macht die Softwarebereitstellung kontrollierter, risikoärmer und flexibler. Teams entscheiden selbst, welche Nutzergruppen neue Funktionen sehen und wann sie live gehen — ideal für innovative und schnell agierende Produktorganisationen.
Bereitstellung bei Progressive Delivery
Was die Bereitstellung betrifft, nutzt Progressive Delivery die gleichen Bereitstellungsmethoden wie CI/CD. Allerdings werden diese durch die Verwendung von Feature Flags erleichtert.
Wie Progressive Delivery und die Verwendung von Feature Flags Canary- und Blue-Green-Deployment verbessern kann:In Bezug auf die Bereitstellung verwendet Progressive Delivery grundsätzlich die gleichen Deployment-Methoden wie CI/CD. Der entscheidende Unterschied: Durch den Einsatz von Feature Flags wird die Bereitstellung vom eigentlichen Release entkoppelt. So können Produktteams gezielt steuern, welche Nutzergruppen neue Funktionen wann sehen.
Canary-Deployment (Canary Testing)
Beim Canary-Deployment wird eine aktualisierte Version der App erstellt, und nur ein kleiner Prozentsatz des Traffics wird darauf geleitet. Wenn alles stabil läuft, wird der neue Code für alle Nutzer:innen freigegeben.
Durch die Kombination von Progressive Delivery und Canary-Deployment können Produktteams:
- Erkenntnisse zur Markteinführung neuer Features sammeln
- Gezielt bestimmte Nutzersegmente mit neuen Funktionen ansprechen
- Popularität, Auffindbarkeit und Akzeptanz eines Features messen, bevor es für alle ausgerollt wird
Blue-Green Deployment
Bei der Blue-Green-Bereitstellung existieren zwei identische Produktionsumgebungen: blau und grün.
- Grün ist die aktuelle Live-Version,
- blau dient als Testumgebung für Updates.
Wenn die neue blaue Version stabil läuft und alle Leistungskennzahlen erfüllt, wird der Traffic von der grünen auf die blaue Umgebung umgeleitet.
Mit Progressive Delivery und Feature Flags können Produktteams:
- Backend-Komponenten isoliert freischalten und testen, ohne das Frontend zu beeinflussen
- Eine feingranulare Kontrolle über Rollouts gewinnen
- Gezielt Feedback zum Verhalten und zur Nutzung neuer Funktionen sammeln
- Den Zugriff auf Features flexibel steuern und Risiken minimieren
Beide Deployment-Methoden funktionieren auch ohne Feature Flags. Doch für Unternehmen, die Wettbewerbsvorteile durch schnelle Innovation und eine hervorragende Product Experience erzielen wollen, reicht die klassische Umsetzung oft nicht aus. Progressive Delivery macht Canary- und Blue-Green-Deployments flexibler, risikoärmer und datengetrieben.
Progressive Delivery und Experimentation
Unternehmen wollen Features entwickeln, die Nutzer:innen begeistern und Wachstum fördern. Dafür reicht es nicht mehr, neue Funktionen nur schnell und risikoarm auszurollen — sie müssen auch ihren tatsächlichen Wert für das Geschäft validieren.
Es geht also nicht nur darum, Fehler im Code früh zu erkennen, sondern auch geschäftsrelevante Erkenntnisse zu gewinnen: Wie beeinflusst ein Feature zentrale KPIs wie Conversion Rate, Engagement oder Umsatz?
Progressive Delivery schafft dafür den Rahmen:
Teams können neue Features oder alternative Implementierungen schrittweise an echte Nutzergruppen ausspielen und testen — auch bekannt als Feature Experimentation. Mithilfe von Feature Flags lassen sich diese Experimente serverseitig und kontrolliert umsetzen.
So können Produkt- und Entwicklerteams:
- Schnell Feedback und Nutzungsdaten sammeln
- Hypothesen über den Mehrwert neuer Funktionen überprüfen
- Entscheidungen datenbasiert treffen und die User Experience gezielt verbessern
Dieser Ansatz erweitert den klassischen Entwicklungsprozess von
Design → Erstellung → Bereitstellung
zu einem modernen, experimentellen Workflow:
Design → Erstellung → Experiment → Bereitstellung.
Durch die konsequente Integration von Feature Flags und experimentellem Vorgehen wird die Entwicklung hypothesengetrieben. Teams denken nicht nur in Anforderungen, sondern nutzen einen wissenschaftlichen Ansatz, um bessere Product Experiences zu schaffen, die sowohl Nutzerbedürfnisse als auch Geschäftsziele unterstützen.
Kameleoon unterstützt Progressive Delivery mit der eigenen Full-Stack-Lösung
Mit leistungsstarken serverseitigen A/B-Tests, Feature Flags und umfangreichen Experimentierfunktionen unterstützt die Full-Stack-Lösung von Kameleoon Produkt- und Entwicklungsteams dabei, Progressive Delivery und Feature Experimentation selbstständig zu steuern und sicher umzusetzen.
Kameleoon wurde speziell entwickelt, um Experimente jeder Art für alle Teams zugänglich und effizient zu machen. Nutzer:innen können Web-, Full-Stack- und Feature-Experimente auf einer einzigen, einheitlichen Plattform durchführen.
Die Feature-Flagging-Funktionen von Kameleoon erleichtern Progressive Delivery durch:
- Flexible Release-Steuerung: Produktmanager:innen legen fest, wann und für wen neue Funktionen sichtbar werden.
- Go-to-Market-Planung: Erweiterte Zeitplanungsoptionen für kontrollierte Rollouts.
- Automatische Zurücksetzung von Features: Benachrichtigungen und Trigger basierend auf Zielkennzahlen oder Zeitplänen.
- Effizientes Technical-Debt-Management: Integration von Zapier-Triggern und -Aktionen.
- Nahtlose Integration: Einfache Einbindung in bestehende Tech-Stacks.
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